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24. April 2024
Lernwelten 18.01.2019

Selbstgesteuertes Lernen - vorübergehender Trend?

Selbstgesteuertes Lernen ist aktuell im Trend. Es ist Thema bei Workshops, Messe-Vorträgen und Artikeln im Bildungsbereich. Ich bin sehr dankbar für die Diskussionen und halte es für das sinnvollste Lernkonzept in Bezug auf betriebliches und digitales Lernen. Kein Wunder also, dass selbstgesteuertes und damit sämtliche synonym geführte Begriffe wie selbstorganisiertes oder selbstreguliertes Lernen auch bei uns in der VDV-Akademie und im Projekt eLearningÖV Thema sind.

Was ist selbstgesteuertes Lernen?

Sketchnote von Susana Rojas
Sketchnote von Susana Rojas

Aus wissenschaftlicher Sicht ist es wie immer: Es gibt viele Definitionen. Noch mehr, wenn man sich aus der Disziplin Erwachsenenbildung in die Psychologie, Soziologie oder Schulpädagogik bewegt. Bei Diskussionen bei uns im Team wurde ebenfalls deutlich: Die Idee vom selbstgesteuerten Lernen ist ähnlich, aber begriffliche Schwerpunkte und Assoziationen dann doch wieder sehr unterschiedlich.

Nach viel Literaturrecherche und gemeinsamen Diskussionen ist unsere Definition von selbstgesteuertem Lernen folgende:

 

 

Neben Selbstorganisation, Selbstregulierung und Selbstführung ist Selbststeuerung dem Selbstmanagement zuzuordnen, dessen übergeordnetes Ziel berufliche Handlungsfähigkeit ist.

Für eine gelungene Selbststeuerung sind die folgenden Rahmenbedingungen hilfreich: Zugriff auf Informationen, Raum, Zeit, Arbeitsmittel und eine förderliche Lernkultur. Zudem ist die Fähigkeit zur Selbstreflektion notwendig, um Arbeits- und Lernprozesse zu überwachen, kontinuierlich zu regulieren und zu bewerten. Der Prozess Selbststeuerung bedarf regelmäßiger Neujustierung und kann durch Begleitung von außen unterstützt werden. Zielsetzung der Selbststeuerung ist es, entscheidungsorientiert und wirksam zu handeln.

Beim selbstgesteuerten Lernen ist der Lernende sich über einen Bedarf bewusst und in der Lage daraus Ziele zu definieren und zu setzen (selbst- oder fremdbestimmt). Der Lernbedarf kann situationsabhängig entstehen. Er kann die Ziele mittels individueller Methoden verfolgen.

Was bedeutet selbstgesteuertes Lernen für mein Unternehmen?

Münze ich die Definition auf meine Erfahrung im Bereich Weiterbildung und speziell im Projekt eLearningÖV, handelt es sich beim selbstgesteuerten Lernen weniger um die Implementierung einer Lernstrategie als die Förderung einer bestimmten Lernkultur im Betrieb. Selbstgesteuertes Lernen beinhaltet unternehmerische Veränderungen: zum Beispiel weg von Wissensvermittlung hin zu Kompetenzaufbau und -entwicklung. Lernerfolge werden nicht mehr in erfolgreich bestandenen, zertifizierten Seminaren gemessen, sondern in praxisnahen Erfolgserlebnissen – die vom Lernenden als Motivation und von Vorgesetzten als kompetente Handlungsfähigkeit bewertet werden.

Was kann ich aus Unternehmenssicht tun, um Impulse für Selbststeuerung zu geben?

Wie oben bereits erwähnt, muss im Betrieb eine Struktur der Ermöglichung (analog wie digital) geschaffen werden. Das bedeutet ganz klassisch Zugänge zu Quellen – etwa Internet, internen Wikis, Lernplattformen oder aber auch den Kolleginnen und Kollegen im Büro nebenan. Darüber hinaus ist die Lernatmosphäre ausschlaggebend. Theoretisch sind selbstgesteuerte lernende Mitarbeiter*innen erwünscht – aber in der Praxis dann doch schwer umsetzbar. Es gehört Vertrauen, Zuversicht, Zeit und niedriger Kontrollbedarf dazu – halt nicht fremd-, sondern selbstgesteuert. Ein herausforderndes Umdenken ist häufig nötig. Hilfreich für Mitarbeiter*innen kann auch ein individuell auf Persönlichkeit und Tätigkeitsprofil bezogenes Kompetenzprofil sein – als Instrument zur Selbstreflexion, Standort- und Zielanalyse. Lernimpulse müssen gestaltet und gegeben werden, Führungskräfte und Lehrende entwickeln ihr Rollenverständnis in Richtung Lernbegleiter*innen.

Die intrinsische Motivation der Mitarbeiter*innen ist unabdingbar

Lernziele, das zeigt unsere Praxis, haben selbst im beruflichen Kontext immer mit dem eigenen Selbst zu tun. Neben den unternehmerischen Rahmenbedingungen ist die Voraussetzung für Lernen die eigene Motivation. Und beim selbstgesteuertem Lernen auch häufig der Prozessanstoß. Jemanden widerfährt im Alltag eine Herausforderung, die mit dem aktuellen Wissensstand nicht bewältigt werden kann. Beispielsweise, eine neue Linie zu befahren oder in der Werkstatt eine bisher unbekannte Reparatur durchzuführen. Der Bedarf der Handlungsfähigkeit, des Könnens erwächst. Der Lernende ist sich eines Lernbedarfs bewusst, weiß um die Zielsetzung und kann nun nach individuellen, erfolgversprechenden Lernstrategien dieses Ziel verfolgen. Der Prozess unterliegt einer steten Reflektion sowie Zielüberprüfung.

Bei solch handfesten Beispielen ist die Zielsetzung relativ offensichtlich. Dem Lernenden sind, auch dank digitaler Infrastruktur, Möglichkeiten gegeben, die diesen Prozess fördern und unterstützen: Er kann mittels Tablet in der Werkstatt auf ein betriebseigenes Wiki zugreifen, in dem Prozesse abgebildet sind. Oder aber er fährt via digitaler Streckenbefahrung die Buslinie für den Dienst ab. Dafür gilt es Inhalte bereitzustellen, Wissensmanagement aufzubauen, umfassend eine neue Lernkultur zu fördern. Denn weniger die Tablets im Unternehmen stoßen eine neue Lernbewegung an, als die Mitarbeiter*innen und ihre Haltung gegenüber technischen Neuerung, ihr Umgang und ihr Fähigkeit der Nutzung der Geräte.

Zeit zum Neudenken

Eine moderne und erfolgreiche Lernkultur in Unternehmen zeichnet sich nicht durch die Anschaffung von Technologien aus, sondern durch ein holistisches, pädagogisches Konzept, Neugier, Zielorientierung und Tatendrang. Beispiel LMS: Die Anschaffung selbst bedeutet nicht die Implementierung von digitalem Lernen. Erst das Aufzeigen von Möglichkeiten, das Befüllen von Inhalten, das Nahebringen an die Mitarbeiter*innen und eine kontinuierliche Begleitung und Moderation lassen den Zweck der Technologie lebendig werden. In diesem betrieblichen Klima ist selbstgesteuertes Lernen kein vorübergehender Trend, sondern hervorragend geeignet, um langfristig eine zeitgemäße und autonome Lernkultur zu fördern.

Impulse für selbstgesteuertes Lernen

  • Zugang schaffen zu digitalen Lern- und Wissensquellen wie Wikis, LMS, Internet.
  • Förderung von sozialem Austausch: kurze Kommunikationswege, auch standortübergreifend.
  • Bewusst Zeit für Weiterbildung einräumen – nach eigenem Bedarf gestaltbar.
  • Fragen- und Fehlerkultur fördern.
  • Instrumente zur Selbstanalyse anbieten, beispielsweise Kompetenzprofile und Curricula.
  • Lernbegleitung als neues Rollenverständnis für Weiterbildungsbeauftragte oder Führungskräfte.
  • Neue Technologien implementieren, digitale Kompetenzen fördern. Praxisnahe Erfolgsergebnisse kreieren, fördern und wertschätzen.
  • Win-Win: Das Ziel ist berufliche Handlungsfähigkeit und somit langfristige Beschäftigungssicherheit.
Autor

Britta Robels

Britta ist unsere Projektleitung von UpTrain. Sie liebt Wortwitze und einen anständigen Hafermilchschaum auf dem Cappuccino. Im Blog schreibt sie rund um das Projekt und die Kernthemen wir Berufsbildentwicklung, Durchlässigkeit und Bildungsberatung.

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