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30. April 2025
Lernwelten 02.12.2024

Praxisnah und digital: Multisensorisches Lernen in der Verkehrsbranche – Warum unsere Sinne der Schlüssel zu nachhaltigem Lernen sind

„Erzähle mir, und ich vergesse. Zeige mir, und ich erinnere. Lass es mich tun, und ich verstehe.“

Dieses zeitlose Zitat des chinesischen Philosophen Konfuzius erinnert uns daran, dass Lernen ein zutiefst menschlicher Prozess ist, der weit über das bloße Konsumieren von Informationen hinausgeht. In unserer schnelllebigen und zugleich unruhigen Zeit, in der effizienzsteigernde Maßnahmen in der Weiterbildungslandschaft immer häufiger eingeführt werden, ist es für mich als Vertreterin einer Akademie ein Anliegen, die einzigartigen Fähigkeiten und Bedürfnisse von uns Menschen hervorzuheben; nämlich auf der einen Seite die Grenzen gewisser Technologien wie etwa der künstlichen Intelligenz (KI) zu kennen, einen reflektierten Umgang damit zu pflegen (und weiterzugeben) sowie in besonderer Weise auch die Kultur des Lernens weiterzuentwickeln. Nicht zuletzt aus diesem Grund haben wir uns bei unserem letzten Dozierenden-Netzwerktreffen am 09. November dieses Jahres mithilfe interaktiver Methoden mit dem Multisensorischen Lernen befasst.

Quelle: Freepik.com

Je mehr Sinne beteiligt sind, umso besser der Lerneffekt.

Was Multisensorisches Lernen ausmacht

Multisensorisches Lernen ist ein Lern-Ansatz, der verschiedene Sinne wie Sehen, Hören und Fühlen kombiniert, um den Lernprozess zu verbessern und das Behalten von Informationen im Langzeitgedächtnis zu fördern. Mit Blick auf unsere immer komplexer werdende Welt, in der sich automatisch auch das Verständnis von Wissen und Können verändert, ist es förderlich, eine unveränderliche Tatsache anzuerkennen: Das Lernen bleibt dem Menschen vorbehalten.

Denn das Lernen funktioniert durch unsere Sinne, durch Interaktion und durch Tun, nicht durch Knopfdruck. Gerade für unsere heterogenen Zielgruppen mit unterschiedlichen Sprachniveaus und Hintergründen, die im ÖPNV anzutreffen sind, ist es eine Chance, ihre Sinne als Schlüssel zu tiefem Verständnis und zur nachhaltigen Verankerung von Wissen direkt in die Lernprozesse einzubeziehen. Dies geschieht nicht zuletzt auch im Sinne der Qualitätssicherung unserer Angebote für die Branche.

Mehr Motivation und Interaktion

Multisensorisches Lernen aktiviert mehrere Sinne gleichzeitig, was die kognitive Verarbeitung und die Speicherung im Langzeitgedächtnis fördert. Neurowissenschaftliche Studien belegen zudem, dass diese Lernform nicht nur nachhaltiger, sondern auch motivierender ist (siehe auch: https://www.mpg.de/8930937/vokabel-lernen-gesten).

Eine Studie der Universität Leipzig zeigt zudem, dass Bewegung und körperliche Aktivität im Lernprozess nicht nur die Konzentration fördern, sondern auch die soziale Interaktion stärken. (Zu dieser Studie ist auch ein Handbuch entstanden, siehe: https://www.uni-leipzig.de/newsdetail/artikel/handbuch-zu-bewegtem-lernen-erschienen-2020-04-30).

In der Verkehrsbranche, wo Theorie und Praxis eng miteinander verknüpft sind, ist multisensorisches Lernen deshalb besonders wirkungsvoll. Beispielhafte Methoden umfassen:

  • Simulationen vor Ort in den Betrieben, wo Handlungsabläufe eingeübt werden.
  • Bewegungsbasierte Übungen in Seminaren wie Schnitzeljagden oder andere interaktive Methoden, die Wissenserwerb und Teamarbeit verbinden können.
  • Digitale Formate wie Web Based Trainings (WBTs), die visuelle und auditive Inhalte kombinieren, um die Aufmerksamkeit zu halten.

Blended Learning als perfekte Ergänzung

Während Präsenzmethoden oft Bewegungen und direkte Erfahrungen einbinden, bietet Blended Learning eine ideale Möglichkeit, um multisensorische Elemente auch ins digitale Lernen zu integrieren. Die VDV-Akademie ermöglicht es den Verkehrsunternehmen, audiovisuelle Inhalte wie WBTs, Lernvideos und interaktive Quizze bereitzustellen. Diese halten die Aufmerksamkeit hoch und fördern die aktive Verarbeitung der Lerninhalte. Zudem schaffen sie eine Verbindung zwischen den physischen und digitalen Lernwelten und bieten nebenbei Flexibilität sowie Kosteneffizienz für Unternehmen.

Warum wir Lernen neu denken müssen – und KI kein Alleskönner ist

Halten wir fest: Es ist keine neue Erkenntnis, dass Frontalunterricht (ein Ansatz aus dem 15. Jahrhundert) nur schwer mit den individuellen Lernbedürfnissen und Lerngeschwindigkeiten von Teilnehmenden der Formate Beruflicher Weiterbildung vereinbar ist. Irgendwann einmal entstand die Idee von festen Lerntypen, die sich ausschließlich auf visuelle, auditive oder kinästhetische Präferenzen stützen.

Inzwischen ist auch diese These wissenschaftlich überholt. Stattdessen lernen Menschen effektiver, wenn mehrere Sinne eingebunden werden. Diese Erkenntnis zwingt uns dazu, Lernprozesse neu zu denken; weg von starren Konzepten, hin zu flexiblen, interaktiven Ansätzen, die Freude am Lernen wecken. Die italienische Kognitionsforscherin Dr. Manuela Macedonia erklärt in folgendem Vortrag eindrücklich, warum das so wertvoll ist und was das mit unserem Gehirn zu tun hat: https://www.youtube.com/watch?v=qHoOz8VNq7o.

Für mich als Didaktikerin heißt das vor allem, dafür zu plädieren, dass wir den Mut haben, wieder auf den Menschen selbst zu setzen. Lernen ist mehr als das Aufnehmen von Fakten durch die Berieselung von Power-Point-Vorträgen. Es ist ein ganzheitlicher Prozess, der uns fordert und formt. Und während KI uns in der Organisation von Lerninhalten und bei der Erstellung von Strukturen unterstützen kann, bleiben das Erleben und das Verstehen durch unsere Sinne, eine zutiefst menschliche Erfahrung.

Schaffen wir eine Lernkultur, die nicht nur Informationen vermittelt, sondern auch Freude, Interaktion und tiefes Verständnis kultiviert!

Autor

Melike Kizil-Kreisel

Melike ist eine Pädagogin aus Leidenschaft. Als Didaktikerin gestaltet sie im Team Berufliche Weiterbildung und digitales Lernen bei der Akademie innovative Lernangebote mit, die die Transformation und Weiterentwicklung in der Branche fördern – digital und in Präsenz. Sie radelt auch gerne mal auf der Nordbahntrasse – oder im Sommer entlang des Rheins – und spielt Theater.