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23. April 2024
Unternehmen 02.05.2022

Einen Tag im Güterzug der SBB Cargo Deutschland

Im Februar durften wir Dominik Pinsdorf, von der SBB Cargo Deutschland GmbH, in unserem Podcast „Nächster Halt“ begrüßen. Das Thema: Schienengüterverkehr. Was schon beim Hören super spannend klingt, ist bestimmt noch cooler live zu erleben. Gesagt, getan!

Vorbereitung

Beim Ein- und Aussteigen muss man sich an drei Stellen festhalten.

Bevor es auf die Lok des Güterzuges gehen kann, erhalten alle Fachfremden eine Arbeitsschutzunterweisung. Wie verhalte ich mich im Gleisbereich? Aufeinander und auf fahrende Züge achten! Wo sind Wege, auf denen ich gehen kann, um zur Lok zu kommen? Achtung nicht auf die Gleisschwellen treten! Nur auf den Schotter. Warum? Die Gleisschwellen sind aus Holz oder Beton. Gerade wenn es nass ist, können diese glatt sein und die Gefahr zu stürzen, ist zu groß. Und auch: Wie klettert man sicher in die Lok? —> 3-Punkt-Regel. Es müssen immer drei Gliedmaßen an der Lok sein. Damit man an den Gleisen gesehen wird, ist das Tragen einer orangenen Warnweste Pflicht.

Dienstag, 12.04.2022

10:30 Uhr, Güterbahnhof Köln-Eifeltor

Es geht los! Wir übernehmen gemeinsam mit unserem Lokführer Dominik Pinsdorf einen Zug und lösen die Kollegen (Lokführer und Auszubildender) ab. Die beiden sind um 2:30h in Basel gestartet. Kurzes Übergabegespräch der Lokführer. Dann geht‘s zu unserer Lok. Sie zieht heute 667 Meter Kesselwagen hinter sich her. Plus Lok hat unser Güterzug eine Gesamtlänge von 687 Meter und wiegt mehr als 1600 t. Das Gewicht können wir auch beim Anfahren spüren. Da braucht die Lok ordentlich Power. Vor Fahrtbeginn nach Gelsenkirchen-Bismarck müssen wir aber nochmal den Fahrplan und die Bremsen checken.

Am Bahnhof Köln-Eifeltor
Am Bahnhof Köln-Eifeltor

10:40 Uhr, Fahrtbeginn

Wir rollen bis zum ersten Signal und warten bis wir starten können. Kurz danach eine Irritation: Die Weiche ist nicht für unsere geplante Fahrtrichtung eingestellt. Um das abzuklären, gibt es in der Lok einen Zugfunk mit dem jedes Stellwerk angerufen werden kann. Gesagt, getan. Unsere Route hat sich geändert.

Wir bestaunen die Vegetation und Gebäude links und rechts der Schiene und sehen sogar den einen oder die andere Trainspotter*in. Wow, wir befinden uns also auf dem Laufsteg der Züge ;) Entgegenkommende Züge werden freundlich mit erhobenem Arm oder per Lichthupe gegrüßt und auch die freundlichen Kollegen der Infrastruktur werden gesichtet und gegrüßt. Der Gruß hat allerdings auch einen Sicherheitsaspekt. So wissen diejenigen, die an den Gleisen arbeiten, dass sie gesehen werden.

12:00 Uhr, Irgendwo in Oberhausen

Bahnhof Oberhausen West
Bahnhof Oberhausen West

Das rote Signal möchte nicht grün werden. Zeit für eine kleine Signalkunde:

Wie im Straßenverkehr gibt es auch bei der Eisenbahn verschiedene Signale, sowohl mechanische als auch elektronische. Die Lichtsignale kann man am ehesten mit einer Ampel auf der Straße vergleichen. Grün bedeutet „Gute Fahrt“, Gelb „Achtung! Bremsen! Nächstes Signal auf Rot“, Rot „Stehen bleiben“. Auch Geschwindigkeitsbegrenzung gibt es. Unser Zug kann aufgrund der Last max. 100 km/h fahren. Hin und wieder wird mit dem Stellwerk und der Leitstelle telefoniert, bis es gegen 13 Uhr endlich weitergeht. Dann ein Anruf per Funk. Aufgrund einer Person in der Nähe unseres Gleises, die Kollegen vor uns gesichtet haben, bekommen wir den schriftlichen Befehl „Fahren auf Sicht!“, denn Sicherheit hat oberste Priorität! Danach kann es endlich weitergehen.

13:41 Uhr

Die nächste Zwangspause. Zeit, um mal kurz in den Maschinenraum zu schauen. Eine wichtige Sache, die wir erfahren, außer dass unsere Lok mit 5600 kW gesteuert wird, dass es verschiedene Bremsstellungen, P und G, gibt. Je nach Gewicht der angehängten Waggons wird eine andere Stellung gewählt. Das wird später noch wichtig.

Dominik Pinsdorf im Maschinenraum
Dominik Pinsdorf im Maschinenraum

16:40 Uhr

Dominik Pinsdorf nach dem Abkuppeln der Lok
Dominik Pinsdorf nach dem Abkuppeln der Lok

Ankunft in Gelsenkirchen-Bismarck. Wir sind an unserem heutigen Wendebahnhof angekommen. Hier werden die leeren Kesselwagen abgekuppelt (Bild), um ein paar Hundertmeter weiter wieder gefüllt zu werden. Wir hingegen fahren mit unserer Lok zu einem anderen Gleis, um dort die bereits befüllten Kesselwagen wieder einzusammeln.

Bevor es wieder zurück nach Köln gehen kann, heißt es ankuppeln und Bremsprobe. Außerdem müssen aufgrund der Zuglast die Bremsen der ersten fünf Waggons auf G (Güterzug) manuell am Waggon eingestellt werden. Die restlichen Waggons bremsen mit P (Personenzug). Letzter Check der Papiere und es geht wieder zurück nach Köln. Beim Losfahren merken wir deutlich, dass die Lok jetzt mehr Gewicht ziehen muss. Ein ganz schönes Arbeitstier.

Es wäre zu schön gewesen … Nach der Abfahrt lässt das nächste rote Signal nicht lange auf sich warten und wir stehen. Die Störung ist leider etwas größer. Infrastruktur- und Bahnübergangsstörung. Die Arbeitszeit unseres Lokführers (und unsere ;)) schreitet voran.

20:20 Uhr, Datteln

Unser Fahrplan ist nicht der gleiche wie auf dem Hinweg. Ein Grund dafür sind z.B. Baustellen. So kommt es, dass wir in Datteln „Kopf machen“ müssen. Das bedeutet, wir fahren die Lok einmal um die Waggons rum, um wieder in die andere Richtung fahren zu können. Bedeutet auch wieder, erneutes ab- und ankoppeln, Bremsprobe, umstellen der Bremskraft.

21:00 Uhr, Ablösung

Leider konnten wir unsere Fahrt aufgrund der vielen Störung nicht, wie geplant zu Ende bringen, da die Arbeitszeit nicht weiter überschritten werden durfte. Alltag bei der (Güter-) Eisenbahn. In Datteln werden wir abgelöst. Der Kollege fährt die nächste Etappe bis nach Mannheim. Irgendwann wird der Zug in der Nähe von Basel ankommen. Für uns ging es mit dem Taxi nach Hause.

Fazit

Der eine oder die andere Leser*in wird jetzt vermutlich denken: Typisch Bahn (Anmerkung: Das ist unabhängig vom Unternehmen)! Aber so einfach ist das nicht. Im Schienennetz gibt es viele Komponenten, die ineinandergreifen. Viele Störungen haben auch mit Fremdeinwirkungen zu tun. Wetterextreme, wie Sturm, Regen oder auch Hitze. Auch Vandalismus spielt eine große Rolle. Bei diesem Besuch wurde unsere Geduld zeitlich etwas auf die Probe gestellt, aber durch die Vielzahl, der nicht planbaren Vorkommnisse konnten wir viel sehen und mitnehmen. Außerdem wurde uns gezeigt, was für einen grandiosen Job die Eisenbahner*innen jeden Tag machen und so einen Beitrag zur Verkehrswende leisten. Denn die schaffen wir nur gemeinsam.

Wenn Sie jetzt Lust auf mehr Infos zum Schienengüterverkehr haben, hier geht es zu der Podcast-Folge mit Dominik Pinsdorf.

v. l. n. r.: Stefanie Menke, Catharina Goj (beide VDV-Akademie), Inga Schlabes, Dominik Pinsdorf (beide SBB Cargo Deutschland GmbH)
v. l. n. r.: Stefanie Menke, Catharina Goj (beide VDV-Akademie), Inga Schlabes, Dominik Pinsdorf (beide SBB Cargo Deutschland GmbH)

Und hier gibt noch ein Video vom Tag im Güterzug (Aktivieren Sie die Cookies, um das Video zu sehen):

Autor

Catharina Goj

Catharina Goj

Catharina ist Mediendesignerin und damit einer der kreativen Köpfe bei der VDV-Akademie. Vor ihr ist kein Medium sicher. Als Podcast-Verantwortliche ist sie immer auf der Suche nach den aktuellen Trendthemen der Branche. Auf unseren Veranstaltungen findet man sie auch als rasende Fotografin. Als gebürtige Münsteranerin ist das Fahrrad eins ihrer liebsten Verkehrsmittel. In Kombination mit Schwimmen und Laufen wird daraus auch mal ein Triathlon.

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